„Europa braucht dringend ein radikal neues Finanzierungsmodell“
Ein Gespräch zwischen den Initiatoren von Future Europe, Oliver Fiechter und Thomas Sasse, Managing Partner oikon LAW und Louis King, CEO First Boston Group*
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Oliver Fiechter: Thomas, Louis, Future Europe tritt an, um den europäischen Mittelstand mit Produktivkapital zu versorgen. Worin liegt aus eurer Sicht die Relevanz dieser Initiative?
Thomas Sasse: Ganz klar: Europa legt sich selbst Fesseln an und blockiert seine eigene Wirtschaft. Während die USA und China strategisch Kapital aufbauen, schotten wir unseren Mittelstand mit Basel III und Basel IV ab. Es ist grotesk: Wir haben den innovativsten Mittelstand der Welt, aber statt ihn zu entfesseln, bremsen wir ihn mit Bürokratie und Kreditrestriktionen. Das ist, als würden wir mit angezogener Handbremse in ein globales Rennen starten.
Louis King: Aus globaler Sicht ist festzustellen, dass europäische KMU häufig nicht über die gleichen Finanzierungsmöglichkeiten verfügen wie ihre amerikanischen oder asiatischen Konkurrenten. Der Kapitalmarkt in Europa ist stark bankenzentriert, während in den USA und Asien alternative Finanzierungsinstrumente eine größere Rolle spielen. Future Europe kann hier eine Brücke schlagen, indem es innovative Finanzierungsmechanismen etabliert, die mittelständische Unternehmen auf Augenhöhe mit internationalen Playern bringen.
Oliver Fiechter: Wer profitiert vom heutigen System?
Thomas Sasse: Die Großbanken und institutionellen Investoren, die von der Kreditklemme profitieren, weil sie sich Marktanteile sichern können. Wer leidet? Der Mittelstand, der eigentliche Innovationsmotor Europas. Das Absurde ist: Wir haben genug Kapital, aber es fließt nicht dorthin, wo es Wachstum schafft. Die Folge? Europas Unternehmen verlieren weltweit den Anschluss.
Oliver Fiechter: Ihr seid ausgewiesene Finanzprofis mit Investmentbanken-Hintergrund, was sind Eure konkreten Lösungsvorschläge?
Thomas Sasse: Wir brauchen dringend ein radikal neues Finanzierungsmodell: Future Europe. Eine Plattform, die Kapitalströme direkt in produktive Investitionen lenkt, statt sie in den regulatorischen Mühlsteinen der Banken zu zermahlen. Die EZB hat unendliche Liquiditätsreserven, aber statt das Geld in Aktienrückkäufe und aufgeblähte Finanzprodukte zu pumpen, sollten wir es für reale Wertschöpfung einsetzen. Wir brauchen eine europäische Antwort auf den US-Kapitalmarkt.
Louis King: Genau da setzen wir an. Die klassischen Kreditmechanismen europäischer Banken sind nicht darauf ausgelegt, Innovationsrisiken angemessen zu bewerten. Private Debt folgt dagegen einer anderen Logik: Es analysiert das langfristige Potenzial eines Unternehmens und finanziert tragfähige Modelle, statt nur auf kurzfristige Sicherheiten zu setzen. Das Kipuka-Treasury-Modell ist dafür der perfekte Hebel: Es nutzt bewährte Mechanismen des Juncker-Plans* und überträgt sie auf KMU, indem Private Placements systematisch Kapital hebeln.
Oliver Fiechter: Gemeinsam haben wir das “Kipuka Treasury Model” entwickelt. Wie unterscheidet es sich von traditionellen Finanzierungsinstrumenten?
Thomas Sasse: Das Kipuka Treasury Model ist eine innovative Finanzierungs-architektur, die eine bankenunabhängige Kapitalallokation ermöglicht. Es kombiniert private Investitionen mit strukturierten Finanzierungsmechanismen, um KMU Zugang zu Kapital zu verschaffen, das nicht an traditionelle Kreditrestriktionen gebunden ist. Der Ansatz basiert auf Risikoteilung und Hebelwirkungen, die Kapital effizienter einsetzen, anstatt es durch Bürokratie zu entwerten.
Louis King: Besonders wichtig ist die Zusammenarbeit zwischen der Schweizer Kipuka Investment Company und First Boston. Diese Partnerschaft ermöglicht es, Kapital effizienter zu verteilen und europäischen Unternehmen Zugang zu internationalen Finanzierungsmodellen zu verschaffen. Kipuka bringt das Private Debt Know-how und den europäischen Marktzugang in den Mittelstand ein, während First Boston den globalen Investorenkreis erschließt. Diese Synergie schafft ein revolutionäres Finanzierungsmodell für den Mittelstand.
Oliver Fiechter: Welche Rechtsform wollen wir Future Europe geben?
Thomas Sasse: Derzeit werden verschiedene Optionen geprüft. Von einer Genossenschaft über einen Verein bis hin zu einer Kapitalgesellschaft mit eigenem Future Europe Investment Fund wird alles analysiert. Bis Ende März 2025 soll die Struktur stehen, um die größtmögliche Wirkung für die Mittelstandsfinanzierung zu erzielen.
Oliver Fiechter: Zukunftsszenario 2035 – wo steht Europa ohne radikalen Kurswechsel?
Thomas Sasse: Europa wird zum Club der Wirtschaftsnostalgiker. Wir schauen bewundernd auf die Tech-Giganten aus den USA und China, während unsere eigenen Innovatoren durch Kreditrestriktionen und Steuerhürden ausgebremst werden. Unsere Talente wandern ab, weil sie hier keine Chance haben. Wenn wir diesen Wahnsinn nicht stoppen, wird Europa zu einem Wirtschaftsmuseum mit schönen Erinnerungen, aber ohne Zukunft.
Louis King: Das europäische Finanzsystem ist träge, risikoscheu und innovationsfeindlich. Wenn wir nicht radikal umsteuern, droht Europa zu einem riesigen Wirtschaftsmuseum zu verkommen, während in den USA und Asien die Zukunft gestaltet wird. Gemeinsam haben wir das “Kipuka Treasury Model” entwickelt.
*Die First Boston Group
Die First Boston Group ist eine der renommiertesten und traditionsreichsten Investmentbanken der Welt. Sie wurde in den 1930er Jahren gegründet. Als Credit Suisse First Boston (CSFB) stieg sie in den 1990er Jahren zu einer der weltweit führenden Investmentbanken auf. Nach der Übernahme der Credit Suisse durch die UBS wurde First Boston wieder als eigenständiges Unternehmen ausgegliedert und firmiert heute als First Boston Group. Das Unternehmen konzentriert sich auf Investmentbanking, Unternehmensfinanzierung und strategische Beteiligungen.
**Der Juncker-Plan
Der Juncker-Plan, offiziell bekannt als ‚Europäischer Fonds für strategische Investitionen (EFSI)‘, wurde 2015 von der Europäischen Kommission unter Jean-Claude Juncker ins Leben gerufen. Ziel war es, öffentliche Mittel als Hebel einzusetzen, um private Investitionen in Milliardenhöhe zu mobilisieren. Der Plan konzentrierte sich auf Infrastrukturprojekte, Innovation und die Finanzierung von KMU. Durch gezielte Risikoteilung mit privaten Investoren ermöglichte der Juncker-Plan eine verstärkte Kapitalallokation in wachstumsfördernde Bereiche, ohne die nationalen Haushalte übermäßig zu belasten.